„Ich werd doch nicht zur Muschi!“

In vielen Bereichen war ich früher eher Meinungslos. Wollte mich nicht involvieren, wollte keine Diskussionen führen und nicht anecken.

Je älter ich werde, desto mehr verändert sich das. Und ein ganz großes Thema, dass mir momentan immer bewusster wird und mich immer mehr zum Nachdenken anregt, ist der Umgang mit Frauen in Beruf und Alltag.

Abtreibung zum Beispiel ist hier in Irland erst seit Mai diesen Jahres erlaubt. Ich will jetzt noch nicht mal von meiner persönlichen Meinung zu dem Thema anfangen – aber sollte nicht jede Frau für sich selbst entscheiden dürfen? Für ihren eigenen Körper, ihre Situation das passende wählen? Zum Glück ging das Referendum gut aus und irische Frauen haben diese Wahl jetzt.

Weniger gut ausgegangen ist es für eine junge Frau in Südirland. Ihr Vergewaltiger wurde freigesprochen, nachdem die Unterhose des Mädchens im Gerichtssaal gezeigt wurde. Der Tanga mit Spitzeneinsatz würde darauf hindeuten, dass sie offen und vorbereitet war für sexuelle Kontakte. Ich dachte ich fall vom Stuhl, als ich davon gehört habe!

Es sind aber auch so viele Kleinigkeiten im Alltag, die mich wirklich erschrecken und traurig machen.

So oft ruft mich ein (männlicher) Kunde an, und wenn meine Antwort nicht gefällt, wird mein (männlicher) Kollege angerufen und nochmal gefragt. Obwohl er sehr viel weniger Erfahrung hat als ich.

Männliche Kollegen, die meine E-Mails übergehen und ignorieren, bis mein männlicher Kollege antwortet. Und nicht nur hier in Irland…ich meine Kollegen Welt weit.

Männer, die auf Facebook posten, dass sie ihrer Frau in der Küche helfen, und daraus entwickelt sich so ein Gespräch: „jetzt hilfst du in der Küche und als nächstes trägst du Nagellack!“ – „Ich werd doch nicht zur Muschi!“ …wir sprechen hier von erwachsenen Männern mit Familie, nicht von unreifen Teenies.

Ich habe erlebt, wie Männer wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemeldet wurden. Man hat ihnen geraten selbst zu kündigen und ihnen noch eine Abfindung gezahlt. Die Frau, die es gemeldet hat, wurde hinterher gemobbt.

Und so oft höre ich, ich soll mich nicht aufregen, es wär doch nur „dummes Geschwätz“. Männer sind halt so. Der hat halt kein Niveau. Der ist eben dumm im Kopf.

Aber machen wir es damit nicht noch schlimmer? Indem wir weg schauen, mit den Schultern zucken?

Ich selbst habe mehrfach Erfahrung gemacht mit Männern, die kein „Nein“ verstehen. Im Freundeskreis spreche ich problemlos offen darüber. In der Öffentlichkeit – selbst hier auf meinem persönlichen und relativ anonymen Blog – würde ich jedoch niemals ins Detail gehen. Nicht aus Scham oder aus psychischen Gründen, sondern aus Angst vor den Reaktionen. Es ist schon schwierig genug die Reaktionen zu sehen, wenn ich (oder andere) von Depressionen sprechen. Missbrauch, Belästigung? Um Himmels Willen, sowas erzählt man nicht!

Oft bin ich hin und her gerissen. Kommentare wie „Ich werd doch nicht zur Muschi“ sind jetzt nichts, was irgendwen physisch verletzt. Aber wo setzt man die Grenze? Und bei wem macht man Ausnahmen? Was, wenn es jemand aus Familie oder Freundeskreis ist. Oder gar jemand bei der Arbeit. Vielleicht jemand, der über einem Steht. Wie viel darf man oder muss man erdulden, wo muss man oder soll man aufstehen und sich wehren? Und wie, ohne dabei selbst einen Nachteil zu erhalten?

Eine große Inspiration für mich ist Stef die auf ihrem Instagram Account offen über ihre Erfahrung mit häuslicher Gewalt spricht, und das mit ganz viel Stärke, und ganz viel Liebe. Sehr bewundernswert – für mich etwas, wovon ich leider noch weit weg bin.

Immer mehr Frauen stehen auf und äußern sich. Das ist auch gut so, und das ist wichtig. Und auch wenn ich (noch) nicht alle Erlebnisse offen aussprechen kann und will, so hat sich doch etwas in mir verändert, und ich äußere meine Meinung öfter, und lauter. Der erste Schritt in die richtige Richtung!

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